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Geht es euch auch so, dass man über Orte und Städte, die eigentlich genau vor der Haustür liegen, so unglaublich wenig weiß? Teilweise nicht einmal die Richtung bestimmen kann, wohin man fahren müsste? Das ist mir leider aufgefallen, als wir nach unserem ersten Ausflug nach Glonn (den Reisebericht dazu könnt ihr hier finden) unseren zweiten „Mini-Roadtrip“ nach Landsberg am Lech geplant haben. Klar, man hat die bunten Häuser in der Innenstadt im Kopf, den Lech, der als rauschender Miniatur-Wasserfall durch die Stadt tobt, aber sonst wusste ich reichlich wenig über die „große Kreisstadt im Südwesten Bayerns“ – wie es mir Google ausgespuckt hat. Viel Natur ist drumherum und das war uns wichtig – denn zu dieser Zeit herrschte immer noch Corona und Städte können schnell zu Ballungsgebieten werden, denen wir ausweichen wollten. Wie es uns auf unserem zweiten „Ausflug dahoam“ ging, was wir erlebt und gesehen haben, erfahrt ihr in diesem Reisebericht. Viel Spaß beim Lesen J
Sonntagsfrühstück am Lechufer – Unser Mini-Roadtrip nach Landsberg
Unser heutiges Ziel war schnell gefunden und spontan geplant. Am Freitag nach der Arbeit habe ich mir im Internet eine Karte von Bayern rausgesucht und bin in wenigen Sekunden über „Landsberg am Lech“ gestolpert. Von dieser Stadt hört man eigentlich ständig bei uns, sei es in einer Doku im BR, bei den Verkehrsmeldungen oder wenn man mit dem Auto unterwegs ist und einem ein Kennzeichen mit „LL“ entgegenkommt. Ein bisschen unangenehm war es mir dann, dass ich die Kreisstadt in eine doch eher andere Richtung gesetzt hätte, wie sie mir auf Google Maps erschien – hoppla, kommt wieder raus, dass ich früher in Erdkunde nicht die beste war 😉
Nachdem ich Stadt und Umgebung bereits virtuell ausgekundschaftet habe, hab ich meinem Partner – immer noch nicht viel wissend – unser nächstes Ziel erläutert: „Da gibt es anscheinend auch einen Wildpark oder so und die Stadt schaut recht schön aus. Warst du schon mal in Landsberg am Lech?“ „Zumindest nicht bewusst – ich glaube mal durchgefahren.“ Na dann wird es doch Zeit sich mal etwas mehr Wissen über die City, die nur ca. 1 ½ Stunden Auto-Fahrtzeit von uns entfernt liegt, anzueignen.
Also ging es am Sonntag, den 09.05.2021 los. Das Wetter hat es schon am frühen Morgen sehr gut mit uns gemeint. Wobei wir ein bisschen zu früh dran waren, ich sag’ mal es war die Vorfreude, die uns schon um kurz nach sieben Uhr morgens in unser Reisemobil und ab auf die A94 getrieben hat. Darum waren wir bereits um halb neun an unserem ersten Ziel, dem Parkplatz in unmittelbarer Nähe am „Mutterturm“ angekommen. Na ja, wenigstens mussten wir uns so keine Sorgen machen, keinen freien Parkplatz mehr zu bekommen – die Stadt gehörte um die Uhrzeit quasi noch uns allein 😉
Wir haben es dann erst einmal gemütlich angehen lassen – unsere Semmeln und zwei Becher kalten Kaffee (ihr werdet sehen, das ist einfach Standard bei uns, egal wo es hingeht und zu welcher Jahreszeit ;-)) ausgepackt und uns auf ein Bankerl am Lech gesetzt. Beim sanften Rauschen des Flusses konnten wir so bei den ersten warmen Sonnenstrahlen unser Frühstück genieße.



Landsberg am Lech – Historische Gebäude und eine wunderschöne Altstadt
Von unserem Parkplatz führen mehrere kleine Brücken durch einen Park zum Mutterturm hin. Ein wenig überrascht von dem Gebäude war ich schon – es hat etwas von Rapunzel. Erbaut wurde der Turm vom deutsch-britischen Maler und Schriftsteller Sir Hubert von Herkomer, welcher von 1849 bis 1914 gelebt hat. Seine Familie zog auf Wunsch der Mutter im Jahre 1877 von England ins oberbayrische Denklingen bei Landsberg – leider starb die Mutter nur zwei Jahre danach. Ihr zu Ehren hat er diesen Turm geschaffen, welcher seit den 1990er Jahren das Herkomer-Museum beherbergt. Diesem haben wir leider (noch) keinen Besuch abgestattet, sondern das Bauwerk nur von außen betrachtet. Die Idylle, die in dem Park um den Turm herrschte, war wirklich sehr schön, nicht nur, weil man gut auf den Lech blicken kann, sondern es auch viele romantisch angelegte Blumenbeete gab.
Am Lech entlang sind wir dann weiter in Richtung Stadtkern gewandert – neben dem rauschenden Lech, gibt es auch entlang des Flusses weitere Denkmäler und Sehenswürdigkeiten zu bestaunen. Im Herkomer-Park findet man so auch das Herkomer-Denkmal, den besagten Mutterturm und den „Steintisch“. Zur Altstadt gelangt man z. B. über den „Lady-Herkomer-Steg“ oder weiter hinten über die „Karolinenbrücke“, welche vom „Vater Lech“ bewacht wird. Kurzum: Es gibt sehr viel zu sehen J und unser Ausflug hat sich schon nach wenigen Metern vom Parkplatz weg gelohnt. An der Karolinenbrücke hängen schöne pastellfarbene Liebesschlösser und eine Taube hat es sich auf einer Bank bequem gemacht und genießt – genau wie wir – die warmen Sonnenstrahlen.
Während unseres Spaziergangs – zuerst in Richtung und dann – durch die Altstadt, konnten wir eine Art italienischen Flair fühlen. Besonders, weil die vielen kleinen Brücken und der Lech, der sich hin und wieder zeigt, wie er sich durch die Stadt schlängelt, einen manchmal an Venedig denken lassen. Auch die bunten Häuser mit ihren schönen Verzierungen lassen diese Assoziation zu. Ist es verwerflich, dass wir bei so viel Dolce Vita Gedanken, uns bereits um 10:00 Uhr morgens, als das erste Café mit Eisdiele geöffnet hat, ein Gelato geholt haben? Das haben wir uns am Hauptplatz auf einer Bank vor dem Marienbrunnen schmecken lassen – und dabei die verschiedenen Pastelltöne der Häuser bestaunt.
Im Stadtzentrum lässt sich wunderbar in die Geschichte von Landsberg am Lech eintauchen – denn es sind noch einige historische Gebäude erhalten. So gibt es neben dem um 1700 errichteten Marienbrunnen auch das historische Rathaus. Der Bau dessen begann nur ein Jahr vor der Fertigung des Brunnens, im Jahre 1699. Gleich gegenüber, auf der anderen Seite des Hauptplatzes, befindet sich der „Schmalzturm“. Diesen Beinamen hat der „schöne Turm“ aus dem 14. Jahrhundert erhalten, weil sich die Marktfrauen mit ihren Waren früher im Schatten des Turms aufhielten. Unter anderem hatten viele auch Schmalz zum Verkauf dabei und dieses blieb fester, wenn es nicht direkt der Sonne ausgesetzt war und konnte somit auch besser verkauft werden.




Steile Wege, enge Gassen – und überall etwas zu bestaunen
Von dort aus sind wir weiter Richtung „Jungfernsprungturm“ – durch enge Gassen über eine steile Treppe hinauf – gegangen. Der Turm, welcher an der historischen Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert verläuft, trägt seinen Namen durch eine Sage mit wahrem Kern. Angeblich sollen sich hier in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges viele Frauen das Leben genommen haben, um den Grausamkeiten der schwedischen Truppen zu entgehen. Bevor sie sich diesen aussetzen wollten, wollten sie lieber im Lech ertrinken. Zwar stimmt es, dass sich hier einige Frauen das Leben genommen haben – warum ist jedoch nicht bekannt. Ein Ertrinken im Lech war allerdings nicht möglich, denn der Fluss liegt nicht unter dem Fuße des Turms, sondern weiter weg.
Von unserer erhöhten Lage hatten wir einen wunderbaren Blick auf den Lech, konnten noch einmal die liebevoll verzierten Häuser mit rosa blühenden Kirschbäume in den Gärten bestaunen und die vielen historischen Bauwerke, eher wir uns wieder zum Stadtkern vorarbeiteten.
Dieses Mal haben wir die andere Brücke für den Übertritt gewählt und sind vorbei an der katholischen Kirche Mariä Himmelfahrt gegangen. Eigentlich wollten wir auch reinschauen, waren uns aber nicht sicher, ob gerade Gottesdienst war und den wollten wir nicht stören. Der Grundstein für das Gotteshaus wurde bereits im Jahre 1458 gelegt. Bis 1488 wurde die Kirche errichtet und in den Jahren 1680 bis 1710 wurde sie mit Merkmalen des Barocks versehen. So wurden beispielsweise die Decken mit imposanten Gemälden und die Gewölbestrukturen mit Stuck, Ranken und Früchten verziert.
Durch das Bäcker- und Färbertor hindurch – ersteres wurde um 1435, das andere um 1520/30 erbaut – gelangten wir über den bereits erwähnten Lady-Herkomer-Steg wieder zu unserem Auto. Für unser Album haben wir dort noch ein paar Fotos von uns geschossen und sind dann weiter zur nächsten Station.



Natur pur – Spazieren durch den Lechpark „Pössinger Au“
Langsam wurde es voll in der Stadt – was auch auf dem Parkplatz zu sehen war. Nichts wäre mehr frei gewesen und eine Frau, die anscheinend bereits länger vergebens auf der Suche nach einer Lücke war, war dankbar, als wir ihr gewunken haben, dass wir rausfahren. Auch am Parkplatz bei der Pössinger Au herrschte Trubel – an dem Tag war es so warm, dass es viele zum ersten Sonnenbaden raustrieb – oder wie uns auf einen Ausflug zum Wandern und Erkunden.
Doch wir hatten Glück und erwischten noch ein freies Plätzchen. Am Wildpark vorbei gingen wir am Flussufer des Lechs entlang und haben immer wieder innegehalten und die Natur rings herum um uns genossen. Die Bäume haben gerade erst angefangen sich wieder in ihr „Blätterkleid“ zu hüllen und so hoben sich tiefschwarze, gewundene Äste und Zweige zwischen satten Grün- und Blautönen vom Schilf und dem Bach ab. Für Vogelbeobachter ist das sicher ein herrlicher Fleck und auch wir konnten einige Enten, Amseln, Blaumeisen und sogar einen Specht bei der emsigen Futtersuche beobachten.
Unser Ziel war die „Teufelsküche“ – allerdings nicht, um in der gleichnamigen Gaststätte zu speisen, sondern um den dortigen Stausee, welcher in unmittelbarer Nähe liegt, zu begutachten. Online hatte ich davon schon einige Bilder entdeckt: in einem fast schon unrealistisch wirkendem Türkisblau, umringt von malerischer Natur. Filter – da war ich mir sicher, zumindest, bis wir selbst von der Brücke zum Stausee herunterblicken konnten. Ich konnte zwar nicht in Erfahrung bringen, warum der See in diesem wunderschönen Türkis leuchtet, aber: Er tut es wirklich. Einfach wunderschön.
Kurzerhand haben wir unsere Picknickdecke ausgepackt und es uns am Rande des Dorfgängerbachs gemütlich gemacht, um unser Mittagessen zu genießen. Trotz vieler Wanderer überflutet einen die Idylle, die dort herrscht: Das Rauschen des Baches, der Wind, der durch die Bäume streift und das schöne Gezwitscher der vielen Vögel ringsherum. Einfach mal die Augen zu machen und alles andere ausblenden, das war unser – erreichtes – Ziel und manchmal braucht man auch gar nicht mehr.
Danach haben wir uns – den Schönheiten der Natur nach – weiter durch die Pössinger Au bewegt. Ich kann wirklich nicht mehr sagen, welchen Weg wir gegangen sind, wir waren nur plötzlich sehr weit oben und konnten auf den Lech runtersehen. Es führen mehrere Wege am Waldhang entlang und einer am Flussufer – einige sind wirklich steil und verlaufen über Wurzeln, Steine und unebenes Terrain, daher nicht für jeden zu empfehlen.
Wir waren zum Schluss fast 4 km unterwegs und – bedingt durch die Sonne – danach auch ein wenig platt. Aber zufrieden 🙂



Europäische Holocaustgedenkstätte & KZ-Friedhof Erpfting
Eine dritte und letzte Station hatten wir aber noch auf dem Plan: die europäische Holocaustgedenkstätte und den KZ-Friedhof Erpfting. Für manche scheint dies an so einem sonnigen, schönen Ausflugstag vielleicht etwas makaber – wir frönen auch keinem „Dark Tourism“ nach oder der Sensationslust. Aber wenn wir uns Orte ansehen, möchten wir auch etwas über deren Geschichte wissen – egal ob Neuzeit oder Mittelalter.
Durch die „Hitlerzelle“, wie die Gefängniszelle im damaligen Sprachjargon genannt wurde, in der Adolf Hitler seine Haftstrafe wegen des Putschversuchs verbrachte, mauserte sich Landsberg am Lech zu einer wichtigen Stadt für den Nationalsozialismus und deren Propaganda. Hinter den ehemaligen Gefängnismauern verfasste Hitler sein Pamphlet „Mein Kampf“ – Landsberg wurde deshalb in der NS-Zeit von den Nazis zur „Geburtsstätte des Nationalsozialismus“ ernannt und vermarktet.
Nicht verwunderlich also, dass eines der elf Außenlager des Kaufering-Komplexes nahe Landsberg am Lech errichtet wurde. In dem KZ-Außenlager „Kaufering VII – Landsberg-Erpfting“ wurden in 1944 ca. 3000 – fast ausschließlich – jüdische Gefangene erfasst, welche unter unmenschlichen Bedingungen Schwerstarbeiten erledigen mussten. Die Sterberate war demnach extrem – sodass das Lager weniger mit Arbeitslagern wie beispielsweise Dachau, sondern mehr mit den Konzentrations- bzw. Vernichtungslagern, wie es Auschwitz war, verglichen wird.
Lernen und nicht vergessen – das sollte daher, für alle, die solchen Orten einen Besuch abstatten, im Vordergrund stehen. Und ich finde es manchmal fast schon erschreckend, welch unglaublicher Frieden heute an diesen Stätten herrscht, die von so unmenschlicher Brutalität gekennzeichnet waren. Umringt von Grün und singenden Vögeln errichten sich die Grabsteine bei den Erdhütten und auch auf dem KZ-Friedhof Landsberg-Erpfting mahnend gegen den Himmel. Hoffentlich gibt diese Ruhe des Waldes und die Idylle der Natur, den Hinterbliebenen ein wenig Seelenheil – alleine deshalb schon sollte man diese Plätze mit Ehrfurcht betrachten. Schließlich spiegeln sie auch das Leid und die Schicksale unglaublich vieler Menschen wider.
Im Rahme einer Führung – welche damals coronabedingt leider nicht stattfand – kann man mehr über die Geschichte dieses Ortes in Erfahrung bringen. Wir haben unseren Ausflugstag noch mit einem Spaziergang durch den darum liegenden Wald abgeschlossen und nach so viel Informationen, Erlebnissen und Eindrücken die Stille dort genossen.


Über die Links im Text kommt ihr zu den genauen Beschreibungen der verschiedenen Unterkünfte, Sehenswürdigkeiten, Orte oder Gastronomiebetrieben, die wir besucht haben.
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